Mode kommt und geht, Stil bleibt – das wusste schon Coco Chanel. Doch wie findet man eigentlich seinen eigenen Stil, jenseits von Hypes und Mikrotrends? Kay Barron, Fashion Director von Net-a-Porter, hat sich dieser Frage gewidmet und ein Buch geschrieben, das nicht den nächsten großen Hype feiert, sondern sich mit den Konstanten der Garderobe beschäftigt, als zeitloser Begleiter und Ratgeber: How to wear everything.

Die Essenz von Kleidung
Worauf kommt es bei Kleid, Bluse, Hose und Co wirklich an? Auf sartoriale Stabilität. Ein hochwertiger Mantel, der präzise geschnittene Blazer, das perfekte weiße Hemd. Es sind Teile, die eine narrative Qualität besitzen und durch ihre Konstruktion, Materialität und Proportionen eine zeitlose Präsenz bewahren. Barron analysiert kapitelweise, wie sie in den Kontext der individuellen Ästhetik eingebunden werden können, ohne in eine stilistische Starre zu verfallen. Es geht nicht um bloße Modefloskeln, sondern um die Frage: Wie kultiviert man eine durchdachte Garderobe, die sich organisch weiterentwickelt?
Neben Barrons eigenen Betrachtungen ergänzen Gastbeiträge von internationalen Fashion-Ikonen, wie Sarah Jessica Parker, Oprah Winfrey oder Stylist Law Roach, die Evolution ihres persönlichen Stils und verraten, wie ikonische Kleidungsstücke immer wieder neu kontextualisiert werden können. Ein Abschnitt über Textilpflege ergänzt die Stilbibel – denn wahre Evergreens verdienen eine sorgfältige Handhabung.

Das weiße Hemd – Ein Klassiker mit Anspruch
Das weiße Hemd ist der Inbegriff der modischen Reduktion und doch ein Objekt ständiger Neuinterpretation. Designerin Tylynn Nguyen bringt es im Buch auf den Punkt: „Beim perfekten weißen Alltagshemd beginnt man mit dem Baumwollanteil – der immer bei 100 Prozent liegen sollte. Das Hemd sollte einen Hauch der darunter liegenden Wäsche erkennen lassen, aber nie alles preisgeben. Das Wichtigste ist die Passform – eigentlich ist die Passform überall das Wichtigste. Ein weißes Hemd sollte eine gerade und schmale Passform haben, aber auch nicht zu eng sein." Ein scheinbar simples Kleidungsstück, dessen Raffinesse und Capsule-Wardrobe-Tauglichkeit sich erst im Detail offenbart.
Und das gilt für sämtliche Design-Eckpfeiler. So betont Nguyen weiter: „Kleidung soll nicht Sie tragen, Sie sollen Ihre Kleidung tragen.“ Dieses Credo zieht sich auch durch das gesamte Buch. Es geht nicht um das blinde Folgen von Trends, sondern um eine informierte Auseinandersetzung mit allen Aspekten.
Der Trenchcoat – Vielseitigkeit in Perfektion
Ein weiteres Paradebeispiel für Mode mit Langlebigkeit ist der Trenchcoat. Auch hier gibt Nguyen eine klare Empfehlung: „Ein Trenchcoat sollte ganz leicht oversized sein, weil man im Herbst Platz für mehrere Schichten braucht, gleichzeitig sollte er im Frühjahr über einem Kleid oder Jeans mit T-Shirt nicht zu groß wirken.“ Hier zeigt sich, wie präzise Passform und Flexibilität miteinander harmonieren müssen, um Jahreszeiten und Stilrichtungen spielend zu überbrücken. Fehlkäufe dürften damit wohl passé sein.
Blazer x Schwarz
In der Berufswelt wird der Dresscode in der Regel durch klassische Kleidung definiert, die oft einer Art Uniform ähnelt. Unscheinbar muss sie dabei aber keineswegs sein. Jo Ellison, stellvertretende Chefredakteurin der Financial Times Weekend, weiß aus Erfahrung: „Ein (schwarzer) Blazer wertet alles auf.“ Die Silhouette sei aber entscheidend und münde mehr in Schlichtheit, denn in einer Overdress-Attitüde. Eine definierte Schulterpartie und der Wechsel zwischen maskulinen und femininen Elementen machen den Unterschied. Die Botschaft? Kompetenz beginnt bei den Details, und beim Schnitt.
Selbiges gilt auch für All-Black-Looks, die gekonnt abgestimmt werden müssen – dazu Schauspielikone Monica Bellucci: „Nicht alle schwarzen Kleidungsstücke passen zusammen, nur weil sie schwarz sind.“ Textur, Lichtbrechung und Tiefe spielen eine entscheidende Rolle. Das schwarze Kleid nimmt hier eine Sonderstellung ein. Als Teil einer Caspsule Garderobe sind alle Längen und Materialien – je nach Vorliebe – passend, das obligatorische Kleine Schwarze inklusive.

Jeans for everyone
Während manche Stücke altersabhängig erscheinen, widerspricht Emma Grede, Mitgründerin von Good American bei Denim: „Niemand ist zu alt für Jeans.“ Sie kennt keine Altersgrenze, vielmehr geht es um Schnitt, Waschung und die richtige Kombination. Wohlgemerkt aber: Jeans-Shopping sei nichts für schwache Nerven. Aber nur so lange, bis man SEIN Lieblingsmodell gefunden hat.

Von Kopf bis Fuß
Die passenden Schuhe sind für ein Outfit entscheidend. Und wer könnte dazu mehr wissen, als die bekennende Stiletto-Liebhaberin Sarah Jessica Parker? Neben High Heels kann sie sich aber auch für flache Sohlen begeistern und nimmt dabei Modelle wie Ballerinas, Sandalen oder Stiefel unter die Lupe. Ebenfalls rät sie: „Die richtigen Turnschuhe sind essentiell.“ In ihrem Fall wählt sie Adidas, Modell Gazelle. Fazit: Funktionalität und Stil müssen keine Gegensätze sein. Vielmehr ergänzen sie sich zu einem tragbaren, urbanen Look.
Da neben Kleidung für Events, Urlaub, Sommer oder Partys die Winter-Essentials im Mode-Zyklus nicht fehlen sollten, gibt es dazu die Key-Liste, mit einem Fokus auf das ultimative Material für kalte Tage: Kaschmir. Oprah Winfrey fasst es charmant zusammen: „Ich mag den Winter viel lieber als den Sommer, wegen Kaschmir – und widmet dem Edelgarn eine Zweiseiten-Ode.

Wenn die Basis steht, kommt die Kür: Schuhe, Taschen – und vor allem Schmuck. Sie alle haben die Macht, ein Outfit komplett zu verändern.
Vor allem Statement-Schmuck kann den Blick lenken und Persönlichkeit verleihen. Wer in seine Garderobe investiert, sollte diesen Details also ebenso Aufmerksamkeit schenken. Sie sind der Feinschliff eines Looks – und auch der letzte Fashion-Akzent in How to wear everything.
Die Autorin
Kay Baron schreibt mit How to Wear Everything keinen herkömmlichen Style-Guide, sondern eine (persönliche) Betrachtung über die Architektur der Garderobe, abseits von schnellem Konsum und kurzlebigen Trends.
Baron ist Fashion Director beim Luxus-Onlinehändler Net-a-Porter. Die gebürtige Schottin ist in den Highlands aufgewachsen. Sie studierte Fashion Communication am Central Saint Martins und schrieb bereits für GRAZIA, Harper’s Bazaar, VOGUE, und viele mehr. Bei Net-a-Porter hostet sie die Video- Serie „Style SOS“ und den Podcast „Incredicle Women“. How to wear everything ist ihr erstes Buch.

Kay Barron
How to wear everything
2025. 384 Seiten. 200 Fotos und Abbildungen
Callwey Verlag